Offener Brief an die Odelzhausener

Liebe Odelzhausener,

wie viele von Ihnen bereits wissen, sind inzwischen vorerst alle „neuen“ Bewohner in die Containerunterkunft neben der Feuerwehr eingezogen. Hierbei handelt es sich um junge Männer zwischen 15 und 39 Jahren aus 10 verschiedenen Nationen.

Wir als Helferkreis möchten diese jungen Männer unterstützen, in unserer Gesellschaft anzukommen, unsere Sprache und auch unsere Werte kennen zu lernen. Dies kann uns nicht innerhalb kurzer Zeit gelingen.

Wie wir alle wissen, kommen die Flüchtlinge, die derzeit in Deutschland ankommen aus anderen Gesellschaften, mit anderen Werten und anderen Erfahrungen und damit auch anderer Erziehung. In dem Zusammenhang können wir fast täglich in den Medien lesen, dass es Probleme damit gibt. Diese Menschen müssen lernen, dass eine Frau den gleichen Stellenwert wie ein Mann hat, dass man nicht auf fremde Grundstücke geht, sich Dinge nicht einfach nehmen darf, der Müll in die Tonne gehört usw. Wir sind alle so groß geworden und uns wurde das von klein an so beigebracht, aber diesen Männern müssen wir das im Erwachsenenalter noch beibringen. Das wird eine große Herausforderung sein, hier wird es wahrscheinlich auch noch zu dem ein oder anderen Problem kommen und dem stellen wir uns.

Um sich möglichst strukturiert um diese Herausforderungen kümmern zu können, hat sich der Helferkreis in verschiedene Arbeitsgruppen unterteilt, um die Flüchtlinge bei Ihren neuen Herausforderungen und dem Anpassen an den neuen Alltag zu begleiten und zu unterstützen, wobei die Selbstständigkeit der Flüchtlinge das Ziel aller Beteiligten ist.

Es geben an sechs Tagen in der Woche engagierte Freiwillige den Geflüchteten Deutschunterricht, um Sprachbarrieren abzubauen.

Der Helferkreis hat die Bildungs- und Berufswege erfragt und der Arbeitskreis Arbeit kümmert sich um die Vermittlung in Ausbildung und Beruf. Viele der jungen Männer können in Deutschland die Möglichkeit einer Ausbildung wahrnehmen, einige dürfen schon in 450€ Jobs arbeiten. Dabei helfen wir den Kontakt zu den Arbeitgebern herzustellen, oftmals wird das erschwert durch mangelnde Ausbildung/Alphabetisierung oder das Fehlen von notwendigen Dokumenten.

Bei gesundheitlichen Problemen hilft die Gesundheitsgruppe, die sich vor allem um die für einen Arztbesuch nötigen Papiere und Absprachen mit den Behörden kümmert.

Einen Ausgleich zum recht eintönigen Alltag im Camp bietet der Sport. Wir möchten aber keine neuen Gruppen nur für Flüchtlinge bilden sondern ihnen gerne die Möglichkeit bieten, sich zusammen mit den Odelzhausenern sportlich zu betätigen. Wir bitten deswegen alle Gruppenleiter und Trainer oder auch Einzelpersonen sich bei uns zu melden, sofern sie Ihr Hobby gerne mit den „Neu-Odelzhausenern“ teilen und somit zur Integration beitragen wollen.

Im Februar hat nun auch der Arbeitskreis Integration seine Arbeit aufgenommen. Hier werden Themen aufgenommen und ausgearbeitet, die für ein integriertes Leben in Deutschland von Bedeutung sind, wie z.B. die Stellung der Frau in der Gesellschaft, unser Bildungssystem, das politische System in Deutschland und Europa und auch ganz lebensnahe Dinge, wie die Eröffnung eines Bankkontos, Notrufnummern, Polizei und Feuerwehr und Verhalten im Verkehr. Diese und weitere wichtige Themen werden den Asylbewerbern dann auf verschiedenste Weise nahegebracht.
Darüber hinaus besuchen viele der Mitarbeiter des Helferkreises regelmäßig Veranstaltungen und Fortbildungen zum Thema Asyl und Integration.

In der Containeranlage ist täglich ein „Kümmerer“ vor Ort. Er ist beim Landratsamt angestellt und eine Mischung zwischen Hausmeister und Herbergsvater sowie erster Ansprechpartner für alle Sorgen. Bitte scheuen Sie sich nicht davor, bei „kleineren“ Problemen an ihn heran zu treten. Er ist eine Art „Papa“ für die jungen Männer und dazu gehört manchmal auch Erziehung.

Wir vom Helferkreis sind uns der großen Problematik des anhaltenden Flüchtlingsstroms sehr wohl bewusst. Es sind in nächster Zukunft politische Maßnahmen auf Europaebene notwendig, wie ein Einwanderungsgesetz und kurze Asylverfahren mit klaren Konsequenzen.

Unser Anspruch als Helferkreis „Odelzhausen“ ist es, möglichst viele unserer „neuen“ Bewohner in Deutschland zu integrieren und die nach dem Königsteiner Schlüssel zugewiesenen Asylsuchenden und Flüchtlinge aufzunehmen und menschlich zu behandeln. Wir wollen mithelfen, dass es diesen neuen Mitbewohnern gut geht, gemäß dem christlichen Auftrag: `wer hungert, dem muss man zu essen geben, wer friert, dem muss man warme Kleidung geben`. So steht es in der Bibel und diese christliche Grundhaltung ist die Wurzel unseres heutigen modernen Sozialstaates.

Das wird uns nicht bei allen Asylbewerbern und Flüchtlingen gelingen, sowie es auch nicht bei allen Deutschen gelungen ist. Es gibt immer solche und solche Menschen. Wir konnten über die bisherige Zeit jedoch feststellen, dass sehr viele nette, offene, lustige, manche traurige und leider familienlose Männer in Odelzhausen angekommen sind. Dabei ist unsere Arbeit im Helferkreis keineswegs eine Einbahnstraße. Wir bekommen von den Asylsuchenden und Flüchtlingen auch viel zurück: jedes Lächeln wird erwidert, jede Hilfe mit äußerster Dankbarkeit quittiert.

Wir freuen uns, wenn Sie regelmäßig auf unserer Homepage vorbei schauen, Neuigkeiten lesen, vielleicht sogar das ein oder andere Mal an Veranstaltungen teilnehmen und vor allem offen auf diese Menschen zugehen, die bisher kein leichtes Leben hatten und schon weite Wege gehen mussten.

Ihr Helferkreis Odelzhausen

Geschrieben von Steffi Wagner und Emily Holmes