A. S., hauptberuflich Geschäftsführerin einer sozialen Einrichtung

A. S., hauptberuflich Geschäftsführerin einer sozialen Einrichtung, berichtet über drei Erlebnisse, die sie als etwas Besonderes in Erinnerung hat.

„Die ersten Flüchtlinge kamen im Dezember 2015 über einen Zeitraum von drei Tagen in Odelzhausen an. In der Gemeinde zirkulierte zu dieser Zeit eine Unterschriftenliste von Bürgern, die den Bau eines Asylantenheims im Ort ablehnten. Mir persönlich ist der Frieden in der Gemeinde sehr wichtig. Erzählen möchte ich von dem ersten Sonntagsgottesdienst vor Weihnachten. Wir wussten damals nicht, ob sich unter den Asylbewerbern überhaupt gläubige Christen befanden. Als mein Mann und ich dann aber in der Kirche inmitten einer Schar von dunkelhäutigen jungen Männern saßen, fand ich das schon berührend. Es ging uns ja darum, den Flüchtlingen zu signalisieren, dass wir sie freundlich aufnehmen wollten. Und dieses Zeichen kam gut an: Nachdem der Pfarrer ‚Herzlich Willkommen’ gesagt und noch ein paar nette Worte an die jungen Männer gerichtet hatte, klatschte die Gemeinde spontan Beifall. Mein Mann und ich hatten Tränen in den Augen. Für mich als katholische Christin war das schon ein Highlight. Übrigens haben wir später erfahren, dass etliche unserer Asylbewerber auch Christen sind.“

Verständigung über Sprachgrenzen hinweg

„Im Frühjahr 2016 waren rund 100 junge Männer aus etwa zehn Nationen in den Containern untergebracht. Im Helferkreis waren damals circa 80 Menschen aktiv. Wir wollten, dass die Asylbewerber in einem bestimmten Umfang Mitbestimmungsrechte bekamen. Deshalb haben wir sie zur Gründung einer Art Camp-Parlament eingeladen. Über Beziehungen zur evangelischen Friedensinsel standen uns Räumlichkeiten der evangelischen Kirche zur Verfügung. Dort haben wir uns dann mit etwa 50 Flüchtlingen getroffen. Die Veranstaltung war insbesondere sprachlich eine gewisse Herausforderung. Wir verständigten uns in erster Linie auf Englisch miteinander. Es gab aber auch Flüchtlinge, die kein Englisch konnten und denen dann andere Asylbewerber die Beiträge ins Französische oder Arabische übersetzt haben. Irgendwie hat es dann aber doch funktioniert. Die jungen Männer stellten sich vor und haben sich auch für unser Engagement bedankt. Also alles in allem war das ein guter Start für unser Projekt.

Wir haben nach dieser Auftaktveranstaltung dann eine Wahl durchgeführt, bei der die Mitbewohner jedes Containerhauses zwei Sprecher gewählt haben. Die Bewohner der Container mussten also über die verschiedenen Nationen hinweg zwei Leute bestimmen, die sie vertreten. Zusammen mit diesen Sprechern haben wir vom Helferkreis dann versucht, bestimmte Regeln für das Zusammenleben zu entwickeln. Da ging es beispielsweise um das Thema Alkohol in den Unterkünften. Teilweise kam es aufgrund von Alkoholeinfluss zu Schlägereien unter den Bewohnern. Der Rat hat dieses Problem diskutiert und kam dann zu der Auffassung, dass der Konsum von harten Alkoholika auf dem Gelände verboten werden sollte.

Im Rat wurden auch andere Themen besprochen und organisiert: Wer wollte mit wem zusammen kochen? Hatte jemand Interesse daran, in einem Chor mitzusingen? Wie organisieren wir unser Sommerfest? Wer übernimmt welche Aufgaben? Die Beteiligung an unserem demokratischen Camp-Parlament war am Anfang wirklich sehr gut!

Gescheitert ist das Projekt schließlich an einer Person: In Haus 1 wurde ein älterer Asylbewerber als Sprecher gewählt, der auch einen Uni-Abschluss als Ingenieur hatte. Dieser Mann hat sich nicht an die demokratischen Spielregeln gehalten und hat seine Macht missbraucht, indem er die anderen systematisch unterdrückte. Dabei hat er auch körperliche Gewalt angewandt. Naja, im Laufe der Zeit kam auch noch eine gewisse Unzuverlässigkeit hinzu. Schließlich ist das Projekt eingeschlafen.“

Eine besonders gut gemeinte Spende

„In den Unterkünften stehen den Bewohnern Waschräume zur Verfügung, in denen die Flüchtlinge auch ihre Kleidung waschen können. Dafür war damals ein bestimmtes Kontingent Waschmittel bereitgestellt worden. In jedem Camp gibt es einen sogenannten ‚Kümmerer’ vom Landratsamt, der solche Sachen regelt. Dieser Kümmerer hat mich eines Tages darauf aufmerksam gemacht, dass die Menge der Waschmittel ziemlich knapp kalkuliert sei. Ob ich denn nicht einen Spender auftreiben könnte? Glücklicherweise wohnt in meiner Nachbarschaft ein Mann, der in einem Unternehmen arbeitet, das Reinigungsmittel herstellt. Also hat er freundlicherweise 2018 in der Konzernzentrale nachgefragt, ob man eine bestimmte Menge Waschmittel zur Verfügung stellen könne. Als er nach vier Monaten immer noch keine Auskunft von der Konzern-Zentrale hatte, haben wir erneut nachgehakt. Und erhielten nach einem Jahr einen Gegenfrage: Ob wir eine Spendenquittung ausstellen könnten? Konnten wir. Und dann kam ein Anruf. Ein Mitarbeiter des Unternehmens wollte wissen, an welche Adresse die zehn Paletten Flüssigwaschmittel geliefert werden sollten? Das war eine unglaubliche Menge und eigentlich viel zu viel. Aber ich habe mir gedacht, dass wir jetzt so lange darum gekämpft hatten, und wollte einfach nicht absagen. Die Höhe der Spendenquittung lag übrigens bei rund 10.000 Euro! Wir haben dann etliche Paletten bei einer Lagerhalle im Ort unterstellen dürfen. Zwei Paletten standen auch bei mir zuhause in der Garage. Und natürlich haben wir auch Waschmittel in den Containern gebunkert. Selbst heute, im Jahr 2020, verfügen wir noch über einen kleinen Vorrat an Waschmittel …“

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