S. W., 41 Jahre, Bürokauffrau

„Ich habe einen Flüchtling aus Nigeria besonders gut in Erinnerung, weil ich ihn recht intensiv betreut habe. Der junge Mann war 23 Jahre alt und am Anfang, als ich ihn 2015 kennenlernte, sehr offen und lieb. Allerdings habe ich gleichzeitig gespürt, dass er ein gebrochener, problematischer Mensch ist.  Wie auch immer: Relativ bald nach seiner Ankunft hatte er in einem Unternehmen der Chemiebranche einen Job gefunden. Er lernte auch sehr schnell Deutsch.

Die Situation veränderte sich, als er in derselben Firma eine Ausbildung anfing. Ich selbst war auch in diesem Unternehmen beschäftigt. Wir gingen häufig zusammen zum Mittagessen oder machten auch Spaziergänge. Er war der einzige Flüchtling, dem ich auch meine Telefonnummer gegeben und mit dem ich auch ‚privat’ Kontakt hatte. Bei unseren Begegnungen erzählte er mir immer häufiger, dass die Menschen ihm schlecht gesonnen seien. Teilweise habe ich seine negativen Gedanken auch verstanden, aber ich habe immer auch versucht, dagegen zu argumentieren.

Schleichende Depression verschlimmert alles

Im Laufe der Zeit wurde er immer schwieriger und dünnhäutiger. So wurde er beispielsweise in der Berufsschule dazu aufgefordert, Schreibhefte mitzubringen. Darauf reagierte er mit dem Spruch: „Was wollen die eigentlich von mir?“ Natürlich hat man solche Vorfälle auch in seiner Firma mitbekommen. Irgendwann wurde es der Geschäftsleitung zu bunt und sie sagten, dass es so nicht weitergehen könne. Es kam, wie es kommen musste: Die Ausbildung wurde abgebrochen. Der junge Nigerianer war übrigens auch in ärztlicher Betreuung und erhielt Medikamente gegen depressive Verstimmungen. Er war nun ohne Arbeit und hing den ganzen Tag tatenlos im Container-Dorf herum. Einen neuen Job durfte er wegen des Ausbildungsabbruchs nicht annehmen.

Im Grunde genommen wurde seine negative Haltung immer ausgeprägter. Obwohl ich ihn immer noch sehr mochte, spürte ich unterschwellig, dass ich ihm nicht helfen konnte – er ließ es einfach nicht zu. Dann war er plötzlich von einem Tag auf den anderen verschwunden. Trotz allem kann ich sagen, dass ich auch schöne Erfahrungen mit diesem jungen Flüchtling gemacht habe.“

Eigenes Verhalten überdenken

„Ich habe übrigens auch noch jede Menge andere, positive Erfahrungen mit den Asylbewerbern gemacht. Insbesondere die Fußballturniere beispielsweise in Erdweg waren toll. Bei diesen Turnieren spielten Flüchtlinge aus verschiedenen Helferkreis-Gemeinden gegeneinander. Da war immer eine faszinierende Stimmung. Die dunkelhäutigen Menschen gehen ja emotional ganz anders aus sich heraus als wir Deutschen. Es war immer sehr laut und sehr emotional: Die Jungs konnten sich wahnsinnig freuen! Aber auf der anderen Seite wurden auch Streitereien ziemlich drastisch ausgetragen. Dann mussten wir Helfer schlichtend eingreifen.

Was mir damals auch aufgefallen ist: Menschen aus anderen Kulturkreisen hinterfragen häufig unsere gewohnten deutschen Verhaltensweisen. Meistens konnte ich nur schmunzelnd antworten, dass die Regeln nun mal sind, wie sie sind. Gleichzeitig habe ich aber durch diese Fragen auch etwas über uns Deutsche gelernt.“

Mehr Helfergeschichten